Von einem, der auszog, neue Wege zu finden
Von Wood-Mizer, Deutschland
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Kölsa ist ein kleines, überschaubares Dorf im Süden Brandenburgs. Das Örtchen ist bald tausend Jahre alt, hat es aber in seiner langen Geschichte selten auf mehr als 750 Einwohner gebracht. Und so wirkt es denn auch ein wenig verlassen. Kaum vorstellbar, dass einmal jemand hierherkommen würde, um etwas Besonderes auf die Beine zu stellen.
Jürgen Diecke ist ein vielseitig interessierter Mann, der bis Anfang der 1990er Jahre als Servicetechniker für Gabelstapler in ganz Deutschland unterwegs war. Dieser aufreibende Job fand jedoch ein jähes Ende, nachdem er sich bei einem Einsatz eine schwere Verletzung der rechten Hand zugezogen hatte. Lange Zeit bestand die Gefahr die Hand gänzlich zu verlieren. Mit diesem Druck und dem ungewohnten Umstand nicht arbeiten zu können, begann er sich neu zu orientieren.
Als ihm dann eines Tages das Angebot eines Resthofs mit großem Grundstück, einigen Nebengebäuden und rund 25 ha Wald mit gutem Baumbestand über den Weg lief, machte er sich auf nach Kölsa, wo diese verheißungsvolle, rund 350 Jahre alte Immobilie zu besichtigen war.
Bis dahin hatte er seine Naturverbundenheit auf dem Mountainbike ausgelebt, mit dem er auch heute noch bis zu 6.000 Km im Jahr zurücklegt. Dass die Verbundenheit aber soweit ging, dass er seinen gewohnten Lebensraum in Köln gegen das verschlafene Kölsa eintauschen würde, war wohl selbst ihm bis dahin nicht so recht bewusst gewesen. Nun war er also Besitzer eines alten Anwesens und eines respektablen Nadelholzwaldes. Viel Arbeit wartete da auf ihn. Solange die Hand noch nicht verheilt war, leistete er schwere Kopfarbeit, denn als Waldbesitzer galt es für ihn nun alles über den Wald zu lernen, was ein ordentlicher Forstwirt wissen muss.
Oft durchstreifte er mit einem ausgewiesenen Fachmann seinen Wald und lernte alles über die Natur des Waldes und seine Geheimnisse. Aber auch trockenes Vokabular wie „vertikale Strukturen, Stockausschlag, Kernwuchs, Bestockung, Ertragstafeln, nachhaltige Waldwirtschaft“ usw. Anfang 2003 lagen die ersten geschlagenen Stämme auf dem Hof, denn Diecke plante die Restaurierung seines Hauses. Dazu brauchte er natürlich eine Säge. Und er hatte Glück, denn er fand eine gebrauchte, gut erhaltene LT15 zu einem akzeptablen Preis, die er übrigens in diesen Tagen, nach rund 12 Jahren intensiver Nutzung, durch eine neue LT20B3 ersetzt.
Schnell hatte er raus, worauf es beim Sägen ankam, um beständige Qualitäten zu schneiden. Und seine Nachbarn, einige Schreinereien und Waldbesitzer der Umgebung fanden schnell heraus, dass er anders mit dem Holz umgeht, es anders einschneidet als einige der oft eiligen Lohnsäger, wo es um Masse und Geschwindigkeit geht. Diecke achtet auf den Kern, den Verlauf der Jahresringe und er gleicht den Stamm nicht pi mal Daumen aus, sondern Zentimetergenau. Am Ende ist der Schwartenhaufen auffällig kleiner als gewöhnlich. Mit der Zeit kamen ein Vierseitenhobel und ein Wood-Mizer-Besäumer dazu. In der Hauptsache produziert er heute Carports nach alter Schule der Zimmerer – ordentlich verzapft. Die Region um den Landkreis Elbe Elster ist eine niederschlagsarme Gegend. Da wachsen die Wälder langsam und produzieren ein dichtes, hartes Holz. Seine Ports können ein richtiges Dach tragen und sind zugelassen für die Installation von Fotovoltaikanlagen. Sie sind dadurch zwar eine ganze Ecke teurer, haben aber die lange Lebensdauer eines guten Fachwerks und finanzieren sich in der kompletten Ausstattung durch die Einspeisung des Stroms, praktisch von selbst. Dazu kommt eine breite Produktpalette von einfachen Balken und Brettern bis hin zu Außenmöbeln, Tischen, Bänken, Küchenfronten und auch simplen Schneidbrettern.
In diesen Jahren entwickelte Diecke ein ausgeprägtes Umweltbewusstsein. Und so war es ihm schon länger ein Dorn im Auge, über die Winter Teile seines wertvollen Waldes zu verheizen. Er dachte aber auch an alle anderen Brennholz- Öl- und Gasverbraucher, als er sich aufmachte nach Alternativen zu suchen. Seine Recherchen hatten bald Erfolg. Über das Internet stieß er auf Institutionen, wie die Fachhochschule Zittau und die Technische Universität Dresden, die sich in intensiver Forschung mit sogenannten Kurzumtriebsplantagen befassen. Es handelt sich dabei um Pappelplantagen, die in ihrer Genügsamkeit auch auf kargen Böden gedeihen und damit einen weiteren Vorteil in der Produktionskette eines landwirtschaftlichen Betriebes darstellen können.
Seither sind einige Jahre vergangen, in denen sich Jürgen Diecke nicht nur die vielen Forschungsergebnisse seiner neuen Partner zu Nutze machen konnte, sondern mittlerweile mit seinen eigenen Plantagen wichtige Erkenntnisse zur Weiterentwicklung der Energieholzproduktion beiträgt. Ein ganz entscheidender Faktor ist unter anderen die richtige Düngung des Bodens. Nicht nur in Bezug auf das Wachstum, sondern auch auf die Energieausbeute der später aus den 3-jährigen Pappeln erzeugten Hackschnitzel, die durch falsche Inhaltsstoffe des Düngers extrem reduziert werden könnte.
Zurzeit sind es ca. 6 ha, die mit Pappeln aus drei Jahrgängen bebaut sind. Im ersten Schritt werden die kurzen Stecklinge in exakt bemessenen Reihen in den aufbereiteten Boden gebracht. Um die Unkrautbildung zu bremsen, werden die Reihen zuvor mit speziellen, dicken Papierbahnen ausgelegt, durch die die Stecklinge in den Boden gesteckt werden. Je nach Bodenbeschaffenheit kann das recht mühselig sein.
Aber diese Arbeit lohnt sich. Denn schon im ersten Jahr wachsen die Stecklinge um ca. 2 bis 3 Meter in die Höhe. Nach drei Jahren kann geerntet werden. Die Stümpfe der geernteten Pappeln bleiben stehen, so dass aus ihnen schon bald neue Triebe wachsen. Haben die Pappeln einmal Wurzeln geschlagen, macht ihnen die bisweilen herrschende Trocken nichts mehr aus, denn sie holen sich das Wasser aus tieferen Schichten. Direkt nach der Ernte werden die zu Hackschnitzeln verarbeiteten jungen Pappeln, in einen Isoliercontainer befördert, wo ein mikrobiologischer Prozess das frische Material aufheizt.
Durch Gitterrahmen erzeugte Hohlräume im Zentrum des Containers, sogenannte Dome, wird die austretende Feuchtigkeit durch zwei Abluftrohre nach oben aus dem Container abgeführt. Ganz ohne zusätzlichen Energieaufwand werden so die frischen Hackschnitzel im Zeitraum von etwa 8 Wochen getrocknet. Mit dieser Trocknungstechnik schließt sich der Kreis der ökologischen Energieholzproduktion. Für die Entwicklung des Ernteprozessen und der Hackschnitzelproduktion arbeitete Diecke eng mit der Firma HS Tarm zusammen. Interessenten an der Energieholzproduktion durch Kurzumtriebsplantagen können sich über die Website: www.forstprodukte-diecke.de mit Jürgen Diecke in Verbindung setzen.
Von dem Auslöser dieser bemerkenswerten Wandlung im Leben Jürgen Diecke´s, seiner verletzten Hand, zeugen nur noch ein paar blasse Narben. Das, was er seither jedoch geleistet hat, bereichert das ungeschriebene Buch der Geschichten vom Wiederaufstehen nach einem schweren Schlag, um ein bemerkenswertes Kapitel.